Abwärts: Eine Reise in Hannovers Unterwelten
Verborgene Grüfte, sagenumwobene Gänge, verlassene Bergwerke oder geheime Tunnel - unter den Straßen Hannovers gibt es so manchen Ort, an den sonst kaum ein Mensch gelangt. Die Volontäre der NP haben sich für Sie mit Kamera und Schreibblock in den Untergrund gewagt.
Text/Videos: Josina Kelz, Janik Marx, Sascha Priesemann, Cecelia Spohn
Fotos: Christian Behrens, Nancy Heusel, Florian Petrow, Michael Wallmüller, Frank Wilde, Michael Zgoll
Videoschnitt: Martin Voss
Stationen in Hannovers Unterwelt
Der Hanebuth-Gang
...ist Hannovers geheimnisvollster Ort - und einer der ältesten.
Denn der Hanebuth-Gang ist mit dem Bau der Stadtmauer entstanden - also bereits im 13. Jahrhundert. Die Stadtbefestigung führte damals am Hohen Ufer entlang.
Und was macht diesen Ort so geheimnisvoll? Und wieso heißt er eigentlich Hanebuth-Gang?
Spoiler: Mit den Hells Angels hat das wenig zutun...
Hier hat Räuber Hanebuth angeblich seine Schätze versteckt
Jasper Hanebuth, 1607 in Groß-Buchholz geboren, ging als Räuber Hanebuth in die Geschichte Hannovers ein. Er war Söldner im Dreißigjährigen Krieg und kam als treffsicherer Schütze zurück nach Hannover: Er
schoss seine Opfer vom Pferd und raubte sie aus.
Im Hanebuth-Gang soll er seine
Schätze versteckt haben.
Eine andere Theorie...
...hat Historiker Sid Auffarth.
Demnach handelte es sich um einen Versorgungsgang - damit die Menschen aus der Stadt an das Wasser der Leine kamen.
Beispielsweise um Löschwasser für die vielen Hausbrände im Mittelalter zu schöpfen.
Der Gang bleibt ein Rätsel
Ob Wehrgang, Versorgungsgang oder Hanebuth-Gang - aufklären kann man heute nicht mehr, was es mit ihm auf sich hatte.
Achten Sie mal drauf...
Etwa 20 Meter links neben dem Restaurant "6 Sinne Riverside" finden Sie die Tür zum Hanebuth-Gang - ganz unauffällig. Und doch verbirgt sich dahinter so ein spannender Ort.
Sie sind sicher schon oft daran vorbeigelaufen, oder?
Stationen in Hannovers Unterwelt
Die Geisterstation unter dem Hauptbahnhof
Es ist kühl und unheimlich, teilweise tropft Wasser von der Decke, die Schilder sind eingestaubt.
Etwa 20 Meter unter der Erde liegt der Rohbau einer Stadtbahn-Station. Rund 300 Meter ist die so genannte Geisterstation unter dem Hauptbahnhof lang. Eine Etage darüber sausen die Linien aus dem A- und B-Tunnel entlang.
Gebaut wurde die Geisterstation Anfang der 70er-Jahre, als auch der A-Tunnel mit den heutigen Linien 3, 7 und 9 gebaut wurde.
Zwischen 10 und 20 Millionen D-Mark hat der Bau damals gekostet.
Martin Vey
Prokurist bei der Infrastrukturgesellschaft, die für das Schienennetz in Hannover verantwortlich ist.
Diskussionen um den D-Tunnel
Ursprünglich wurde die Station für einen weiteren Tunnel der Stadtbahn gebaut. 1990 wurde eine erste Planung von der Politik abgelehnt. Knapp 20 Jahre später kam das Thema erneut auf.
Damals wurden verschiedene unterirdische und oberirdische Varianten für die D-Strecke besprochen. 2012 folgte die Entscheidung zu einer oberirdischen Lösung, die als D-Linie oder Projekt 10/17 bezeichnet wird.
Nach damaligen Berechnungen hätte die Tunnellösung mindestens 110 Millionen Euro gekostet, die Summe für die D-Linie lag bei 50 Millionen Euro.
So sieht der Rohbau aus
In der Geisterstation ist alles eindeutig zu erkennen: In der Vertiefung hätten die Gleise gelegen, die Holztreppen stellen die provisorischen Aufgänge dar.
Auch an einen Stromkasten und Versorgungsleitungen wurde beim Bau bereits gedacht.
Warum liegt der Tunnel brach?
Bis heute gibt es keine alternative Nutzung des Tunnels, obwohl bereits häufiger über eine Lasertaganlage oder einen Skaterpark diskutiert wurde. Grund dafür sei neben den Brandschützgründen auch der fehlende zweite Rettungsweg, so Christian Weske,
Geschäftsführer der Infrastrukturgesellschaft.
Abgeneigt ist er davon aber nicht: " Es wäre schön, wenn es irgendwann einen Investor gibt."
So lange inspizieren seine Mitarbeiter den Rohbau regelmäßig nach Schäden.
Ist der Rohbau einzigartig?
Am Steintor gibt es mit etwa 20 Metern Tiefe und 60 Metern Länge eine etwas kleinere Station im Rohbau. Auch in Berlin und einigen anderen Städten soll es ähnliche Stationen geben, so Weske.
Dennoch ist Hannovers Stadtbahn besonders: Damals war es das einzige Konzept seiner Art. In anderen Städte habe es nach Angaben der Infra entweder nur eine unterirdische oder eine oberirdische Bahn gegeben, aber keine Kombination daraus.
Stationen in Hannovers Unterwelt
In der Kreuzkirchen-Gruft: Ein schauriger Ort
Um das Kellergewölbe unter der Kreuzkirche ranken sich Mythen. Es ist einer der geheimnisvollsten Orte der Stadt. In dem gruseligen Gemäuer gibt es viele kleine Gänge, eine Grabstätte, Innschriften aus früheren Zeiten - und verdammt viele Spinnenweben.
Die Kreuzkirche
Sie formt das Bild der Altstadt: Die Kreuzkirche steht seit 1333 im Zentrum von Hannover. Was sich in ihrem Kellergewölbe verbarg, blieb vielen Menschen bis zum Zweiten Weltkrieg verborgen.
Dann kamen jedoch die Nationalsozialisten, die aus der Gruft einen Luftschutzbunker machten. Die Bomben bei einer der größten Luftangriffe auf Hannover 1943 zerstörten die Kirche nahezu komplett. Der kleine Anbau, die Duvekapelle, aber blieb erhalten - und mit ihr unzählige Gebeine.
Die Gruft wird zum Bunker
Als die Bomben auf Hannover fallen, machen die Nationalsozialisten aus der Gruft einen Bunker. Hitlerjungen räumen die Gänge leer und finden in zahlreichen Särgen die Gebeine von bedeutenden Geistlichen sowie Mitglieder des Stadtrats aus dem Mittelalter.
Um Platz für die Bevölkerung zu schaffen, leeren die Jugendlichen die Särge und bringen die Gebeine in die Duvekapelle.
Das Massengrab
Nach dem Krieg wurde
das Durcheinander bei den Gebeinen in der Gruft noch einmal
größer. Denn auch die Skelette der in der Grabstätte der
Marktkirche bestatteten Menschen wurden in die Kreuzkirche gebracht. Der Raum mit den Gebeinen wurde daraufhin zugesperrt. Seitdem war niemand mehr mehr dort drin.
Kein Mensch weiß, wie viele Knochen hier genau liegen - und wem sie genau gehören.
Stationen in Hannovers Unterwelt
Die Kanalisation
Hier möchte niemand gerne sein. Der Gang ist nur 110 Zentimeter hoch. Auf Knöchelhöhe fließt das Abwasser. Links und rechts an den Wänden kommt all das raus, was die Nachbarn gerade durch ihre Spülung schicken. Wir sind in der Kanalisation.
Lange, alte Gänge
Hannover hat nach Berlin und Hamburg die drittlängste Kanalisation Deutschlands, weil Abwasser und Regenwasser größtenteils getrennt werden.
Würde man alle
Kanäle abgehen, käme man auf etwa 2.500 Kilometer. Das entspricht
grob einer Strecke von Hannover nach Lissabon. Jedes Jahr kommen fast 20 Kilometer und etliche Hausanschlüsse hinzu.
Teile der hannoverschen Kanalisation wurden 1890 gebaut. Sie sind noch heute erhalten.
1 Millionen Badewannen
So viel Schmutzwasser fließt in etwa pro Tag in die Kanalisation. Bei mehr als 500.000 Einwohnern in Hannover ist das kein Wunder. Das Schmutzwasser aus den Haushalten wird durch kleine Rohre und Kanäle abgeleitet – und fließt dann in immer größere Kanäle bis in das Klärwerk in Herrenhausen.
Das Kanalnetz ist deshalb vergleichbar mit dem Blutkreislauf eines Menschen. Das Blut fließt durch immer größere werdende Adern hin zum Herzen.
Eklige Funde
In der Kanalisation findet man all das, was die Menschen durch ihre Toilette spülen. Doch das ist nicht nur Klopapier.
Neulich schwamm im Kanal rumänisches Geld an den Arbeitern vorbei. Auch Fehlgeburten
lägen hin und wieder in den Kanälen. Deutlich häufiger sind aber
die Gebisse von älteren Menschen, die sie verlieren, wenn sie sich übergeben müssen.
Oder Spritzen und Rasierklingen, die die
Kanalarbeiter verletzen können.
Kein ungefährlicher Job
Der Job in der Kanalisation ist nicht nur eklig, sondern auch nicht ganz ungefährlich. Die Kanalarbeiter sind ständig Fäkalbakterien ausgesetzt. Wessen Immunsystem angeschlagen ist, der holt sich schnell eine Infektion.
Zudem tragen die Kanalarbeiter einen "Lebensretter" bei sich. Die kleine Box wandelt das Kohlenstoffdioxid der Ausatemluft in Sauerstoff um. Sollten im Schacht zu viele lebensgefährliche Gase austreten, kann sie Leben retten. Gebraucht wurde sie allerdings noch nicht.
Stationen in Hannovers Unterwelt
Zu Besuch im Atomschutzbunker
Kahle und triste Räume, die Bänke dicht an dicht - so sah es lange Zeit in den unterirdischen Bunkern Hannovers aus. Im Ernstfall einer atomaren Katastrophe hätten die Menschen dort Schutz gefunden.
Die meisten der Bunker sind inzwischen geräumt oder abgerissen, doch die Innenausstattung gibt es noch: Und zwar in dem oberirdischen Bunker in der Torstenssonstraße in Oberricklingen.
Entstanden ist der Luftschutzbunker in den Jahren 1942 und 1943 zum Schutz vor Luftangriffen der Alliierten. Etwa 20 Jahre später wurde er als Teil eines Luftschutzprogramms für den Schutz vor ABC-Waffen hergerichtet.
Drucktür als Schutz vor Atomwaffen
Mehrere riesige und schwere Drucktüren versperren noch heute den Eingang zum Atomschutzbunker in der Torstenssonstraße.
Alle 2400 Schutzsuchenden hätten durch eine von sechs Zugangsschleusen gehen müssen, die aus jeweils drei Schleusentüren besteht: Eine zum Zählen der Menschen in dem Bunker, hinter der Zweiten folgte die Dekontaminationsdusche und erst nach dritten Tür waren die Betroffenen in dem Bunker.
Instand gehalten wird der Museumsbunker vom Verein "Vorbei e.V.".
Kein Platz für Privatsphäre
Im Ernstfall hätte der rund 15 Meter hohe Bunker mit rund zweieinhalb Meter dicken Wänden 14 Tage lang Schutz geboten.
In den oberen Etagen befinden sich neben den Toiletten und der Küche auch Sitz- und Liegeräume. Dicht an dicht hätten die Menschen 16 Stunden lang auf den Bänken verbracht, umherlaufen war verboten. Dann der Schichtwechsel: Für acht Stunden ging es in die Liegeräume. "Kaum vorstellbar, wie minimalistisch man dort gelebt hätte", verdeutlicht Knauer.
Lars Knauer
Vorstandsmitglied "Vorbei e.V.".
Der Vereins hat die Nutzungsrechte des Bunkers in der Torstenssonstraße, Eigentümer ist die Stadt Hannover.
Originale Austtattung aus den 60-er Jahren
In drei Rettungsräumen gibt es Medikamente und Behandlungsliegen. Noch heute liegen dort Quecksilberthermometer, Niveacreme, Verbandsmaterialien und Babypuder.
Haufenweise Kartons mit Windeln, Babytöpfchen in blau und rosa, Toilettenpapier, Tellern und Besteck befinden sich in mehreren Lagerräumen. Nicht fehlen durften Säge, Spitzhacke und Spaten, um Trümmerschutt beiseite zu schaffen. "Es wurde eine menge Aufwand betrieben, um den Landsmännern Schutz zu geben", sagt Knauer.
Die Zeit ist stehen geblieben
Auch der Bunkerwart hatte seinen Raum im Obergeschoss. Noch heute liegen dort eine Bildzeitung und Fußballergebnisse aus dem Jahr 1965. "Es ist hier wie in einer Zeitkapsel", sagt Knauer nachdenklich.
Mit anderen Bunkerwarten war er für alle Anlagen in der Stadt verantwortlich: Technik prüfen, Reparaturen durchführen, Schäden beseitigen.
Bunker in Hannover
Die Anlage in der Torstenssonstraße ist nicht die einzige dieser Art in der Landeshauptstadt. Nach Angaben des Vereins "Vorbei e.V." gab es 35 Zivilschutzanlagen, in denen vor 30 Jahren rund 7,54 Prozent der damaligen hannoverschen Bevölkerung Schutz gefunden hätten.
Größtenteils sind die Bunker allerdings nicht mehr vorhanden. So wurde zum Beispiel der Bunker in Herrenhausen abgerissen (siehe Foto). Dort befinden sich nun Einzelhandel und Wohnungen. Auch auf dem ehemaligen Tiefbunker Klagesmarkt stehen nun Wohnungen und Geschäftsräume. Bislang lediglich geräumt wurden die Anlagen in der Tiefgarage vom Opernhaus und unter dem Ernst-August-Platz.
Stationen in Hannovers Unterwelt
Bergbau zum Nachfühlen: Der Klosterstollen Barsinghausen
Arbeiten in völliger Dunkelheit, stundenlang und ohrenbetäubendem Lärm ausgesetzt - wie hart die Arbeit in einem Bergwerk früher war, kann man sich heute kaum noch vorstellen.
Im Klosterstollen Barsinghausen kann man genau dieses Lebensgefühl der Bergleute einfangen - und selber einmal unter Tage fahren.
So erlebten Bergleute täglich ihren Weg zur Arbeit...
... völlige Dunkelheit, nur das Geratter der Bahn war zu hören.
1855 wurde hier das erste Mal gegraben...
... und der Klosterstollen horizontal in den Deister hinein gebohrt. Den Namen hat er übrigens von der Klosterkammer, der damals das Gelände gehörte.
1888 wurde das Bergbaugelände um zwei Schächte erweitert. Damit wollte man auch an die tiefer liegenden Kohleschichten gelangen.
1921 schloss das Bergwerk schließlich. Da das Ruhrgebiet Kohle günstiger produzierte, lohnte sich der Betrieb nicht mehr.
Staublunge, Schwerhörigkeit und ständige Kälte
Die Arbeit im Bergwerk war ein Knochenjob. In völliger Dunkelheit mussten die Kumpel hier acht Stunden hart malochen.
Dabei waren sie auch immer in Lebensgefahr: Kleine Explosionen oder Gesteinssplitter waren eine ständige Gefahr.
In der Regel wurden Bergarbeiter um die Wende zum 20. Jahrhundert hin nicht älter als 40 Jahre.
Nach acht Stunden war der Arbeitstag der Kumpel beendet...
... und sie verließen den Stollen über den 1,4 Kilometer langen Tunnel.
Stationen in Hannovers Unterwelt
Ein alter Schatz im Grünen: Burg Calenberg
Die Überreste dieser uralten Festungsanlage sind gut versteckt: Die Burg Calenberg, schon vor Jahrhunderten aufgegeben, ist heute ein von der Natur überwältigtes Relikt aus längst vergangenen Zeiten.
Sie ist an dem Örtchen Lauenstadt bei Pattensen gelegen. Abgesehen von einer Informationstafel, weist hier nichts auf die Geschichte hin, die sich hier abgespielt hat.
So verteidigten die Calenberger ihre Festung gegen Feinde
Von diesem Batterieturm aus beschossen die Verteidiger ihre Angreifer durch die Schießscharten. Früher gab es hier vermutlich zwei Ebenen. Doch mit den Jahrhunderten hat sich hier nach und nach Erde und Gehölz aufgeschichtet.
Während des Dreißigjährigen Krieges wurde die Festung von einem katholischen Heer unter dem Feldherren Tilly belagert. Wochenlang hielten die protestantischen Verteidiger stand - bis ihnen die Munition ausging und sie die Burg aufgeben mussten.
Geht man von dem Batterieturm aus weiter, entdeckt man den Zugang zu einem kleinem Gebäude...
... hier soll ein berühmter Reformator gefangen gehalten worden sein
Mündlichen Überlieferungen zufolge soll in einem heute noch erhaltenen Gebäude der Protestant Anton Corvinus (1501 bis 1553) eingesperrt gewesen sein. Erich II., Herzog zu Braunschweig-Lüneburg, hielt ihn in dem später nach ihm benannten Corvinus-Keller fest.
Grund für seine Inhaftierung war seine Weigerung, das Augsburger Interim zu akzeptieren - eine Verordnung des Kaisers, mit dem die Rückführung der Protestestanten in die katholische Kirche organisiert werden sollte. Dem Gefangenen soll es allerdings gut ergangen sein.
Nach etwa drei Jahren wurde er freigelassen und war danach noch ein Jahr, bis zu seinem Tod, Pastor der Aegidienkirche.
Eigentlich sind die verbliebenen Gebäuderuinen abgesperrt...
... doch Unbekannte brechen die Schlösser öfters auf. Dabei ist Vorsicht geboten: In den Ruinen des Kellergewölbes etwa gibt es einen alten, tiefen Brunnen. Reinfallen sollte man da besser nicht. Dazu überwintern hier Fledermäuse.
Doch manche hält das alles nicht ab: Die Nachbarn berichten von mysteriösen Gestalten, die sich des Öfteren in den Ruinen aufhalten. Offenbar Anhänger von okkulten Bräuchen, denn: Sie hinterlassen unter anderem Steinkreise oder Kerzenleuchter in den Ruinen.
Stationen in Hannovers Unterwelt
Hanebuth-Gang
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Fakten
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Die Legende vom Hanebuth-Gang
Bitte möglichst spooky + Ton