Von Verena Koll Was ist der Zauber der Weihnacht, Herr Bohnecke? Hannover – das ist mehr als Maschsee, Messe und Herrenhausen. Hannover ist speziell. In der Serie „NPStadtgespräch“ gehen wir mit Menschen dieser Stadt an für sie ganz besondere Orte. Heute: Mit GOP-Chef Dennis Bohnecke (39) über den Weihnachtsmarkt.
Videos: Felix Peschke, Medienproduktion Filmklar, Hannover
Käme der Grinch
nach Hannover, dieses grüne, miesepetrige Monster, das in Dr. Seuss’
Kinderbuch Weihnachten stiehlt, dann dürfte der Grinch auf keinen
Fall auf Dennis Bohnecke treffen. Der Direktor des GOP-Varietés im
Georgspalast ist so etwas wie der Anti-Grinch, der 39-Jährige sprüht
vor Vorfreude aufs Fest: Falls man den Zauber der Weihnacht
verinnerlichen kann, dann hat er das. „Soll ich mal kurz zeigen, wo
der Zauber der Weihnacht wirklich greifbar wird?“, fragt er zur
Begrüßung im Theater an der Georgstraße, strahlt, dass die weißen
Zähne blitzen und sich die Lachfältchen um die blauen Augen
kringeln, wartet eine Antwort gar nicht erst ab, sondern weist den
Weg gleich in den Theatersaal. „Cinderella“ läuft dort, das
Kinderweihnachtsmusical. Und die fast 300 Mädchen und Jungen
kreischen und lachen, klatschen und singen mit beim Stück mit den
flotten Kinderliedern von Volker Rosin.
Sie hören ja gar
nicht auf zu strahlen.
Weil ich das so toll
finde! Zum einen, weil dieses Kinderweihnachtsmusical etwas ist, das
es nur in Hannover gibt. Das haben sich Regisseur Christian Berg und
ich vor fünf Jahren ausgedacht. Und dann bringen die Kinder immer so
viel Freude mit. Die lieben ja Winter und Weihnachten, die strahlen
schon, wenn sie hier hereinkommen. Und dann dekorieren wir das GOP
auch immer pünktlich zum Kindermusical weihnachtlich. Ich liebe das.
Die beiden Bäume
vorm Eingang sind mit Lichterketten geschmückt, eine
Weihnachtsgirlande umrahmt das Vordach, im Foyer steht eine Tanne.
Also beginnt das
Weihnachtsgefühl mit dem Musical?
Das beginnt für
mich sogar schon früher: Dieses Jahr am 26. Oktober, an meinem
Geburtstag. Da hatten wir die Pressekonferenz für das Wintervarieté
in der Orangerie in Herrenhausen. Und wenn ich da sitze, dann hat die
Orangerie diesen einmaligen Duft. Das ist für mich der Beginn der
Weihnachtszeit.
Wonach riecht es
denn da?
Hm, das ist schwer
zu beschreiben. Ich weiß nicht, ich nehme an, das ist der
Sandsteinboden, der ausdünstet? Keine Ahnung. Es ist, und das klingt
jetzt wahnsinnig kitschig, aber für mich ist es so, als nehme man
dort noch den Geruch der Zitruspflanzen wahr, die dort vor so vielen
Jahren über Winter eingelagert waren.
Und wenn Sie dann
also in Weihnachtsstimmung sind, was gehört dann noch dazu?
Ganz viel, ich bin
ein absoluter Weihnachtsfan! Meine Frau und ich laden uns im Advent
zum Beispiel einmal Freunde und Familie ein. Früher zum Brunch,
dafür haben wir die Nacht durchgekocht, meine Frau ist da sehr
perfektionistisch.
Muss sie als Chefin
vom Teestübchen wohl auch.
Berufskrankheit
(lacht). Na ja, und seit unsere Tochter Lotta auf der Welt ist, sie
ist jetzt 22 Monate alt, haben wir vom Brunch auf einen Adventskaffee
reduziert. Dann freuen wir uns gemeinsam auf Weihnachten. Wir haben
auch schon unseren Herrnhuter Stern an die Haustür gehängt.
Angeblich das
Original unter den Weihnachtssternen, entstanden vor mehr als 160
Jahren im Schloss der Herrnhuter Brüdergemeinde.
Und der muss sein,
in weiß, ganz klassisch. Überhaupt mag ich die klassischen Farben
am liebsten, außer am Weihnachtsbaum, der ist geschmückt mit bunten
Glasfiguren. Der hat bei unserem jüngsten Adventskaffee übrigens
für Enttäuschung gesorgt.
Warum das denn?
Den hatten wir zu
diesem Treffen immer schon fertig geschmückt. Dieses Jahr haben wir
das zum ersten Mal nicht, wegen Lotta. Wir haben uns überlegt: Wie
war das bei uns damals mit dem Weihnachtsbaum? Wie soll Lotta das
erleben? Und ich weiß noch ganz genau, dass bei uns zu Hause immer
die Engel den Baum geschmückt haben. Wenn meine Eltern das Glöckchen
geläutet haben, und ich ins Wohnzimmer durfte, dann war der
Weihnachtsmann schon da gewesen, die Geschenke lagen unterm Baum, und
den hatten die Engel geschmückt. Das war magisch.
Der Zauber der
Weihnacht?
Auf jeden Fall ein
Teil davon. Und den möchten wir Lotta auch erleben lassen, darum
werden meine Frau und ich den Baum in der Nacht zu Heiligabend
schmücken, für Lotta wird es aussehen, als hätten das die Engel
für uns gemacht. Und beim Schmücken wird der Film „Schöne
Bescherung“ laufen mit Chevy Chase. Das habe ich früher immer mit
meinem Vater geschaut. Das gehört unbedingt auch dazu. Wobei mir
einfällt (er lacht), das ist aber eigentlich zu peinlich, um es zu
erzählen.
Ach was.
Neulich beim
Einkaufen habe ich extra eine Fernsehzeitung gekauft, das passiert
nur einmal im Jahr, immer zu Weihnachten. Weil ich unbedingt „Der
kleine Lord“ anschauen möchte und meine Frau „Drei Haselnüsse
für Aschenbrödel“. Das sind die Weihnachtsfilme unserer Kindheit,
die gehören immer zum Fest. Und zwar nicht aufgezeichnet, sondern
quasi live im Fernsehen. Man kann schon sagen: Wir zelebrieren
Weihnachten.
Klingt so.
Das ist für uns
aber auch etwas ganz Besonderes. Wir haben beide sehr stressige
Berufe, und der Zauber der Weihnacht soll nicht einfach an uns
vorbeirasen. Wir nehmen uns sehr bewusst die Zeit, das auszuleben und
genießen das sehr.
Ein bitte was?
Ein Lucia-Frühstück.
Wir lieben Schweden, und am Namenstag der heiligen Lucia feiern die
Schweden immer das Lucia-Fest, ein Lichterfest, mit dem sie die
dunkle Jahreszeit erhellen. Dazu gehören auch Lussekatter, ein
Gebäck mit Safran, das meine Frau gebacken hat, sie ist eine
grandiose Bäckerin. Und als wir das gegessen haben, haben wir das
Lucia-Konzert live aus Stockholm im Fernsehen angeschaut. Licht ist
auch so etwas, das zum Zauber der Weihnacht gehört. Wollen wir zur
Pyramide am Kröpcke gehen? Da hängt das Lieblingslicht meiner
Kindheit.
Gern.
An der Pyramide
klappern die Glühweintassen, es duftet nach Zimt und Most, „Santa
Clause Is Coming To Town“ läuft über die Lautsprecher. Dennis
Bohnecke begrüßt Chefin Lisa Aulich, am gleichen Abend werden sie
sich wiedersehen. Dann trifft sich die City-Gemeinschaft zum Umtrunk
an der Pyramide. Bohnecke ist seit drei Jahren Vorstandsvorsitzender
der Händler-Interessengemeinschaft. Er läuft in den ersten Stock
der Pyramide, dreht sich zur Buchhandlung Hugendubel und deutet auf
den Magis-Stern an der Fassade mit dessen mehr als 700 Glühlampen
und dem meterlangen Schweif.
Ist der nicht
großartig? Da habe ich als Kind schon vorgestanden und ihn
bewundert. Er ist ja so schon groß, aber damals kam er mir noch
größer vor.
Bohnecke ist
aufgewachsen im Zoo-Viertel. Nach der Schule wollte er eigentlich
Jura studieren, interessierte sich dann aber für den neuen Beruf des
Veranstaltungskaufmanns. Er ließ sich bei der Industrie- und
Handelskammer beraten und bewarb sich daraufhin beim GOP für eine
Ausbildung.
Ich werde nie den
Tag vergessen, als ich zum Vorstellungsgespräch gegangen bin. Mit
meiner Großmutter hatte ich vorher überlegt: „Was ziehe ich da am
besten an?“ Wir haben uns für einen braunen Cord-Anzug entschieden
mit braunen Schuhen, Hemd und Krawatte. Dann bin ich hin, wurde ins
Büro gebracht – und der erste, der dort saß, hatte eine schwarze,
enge Lederhose an. Der zweite war verschwitzt und kam in einer
Radlerhose. Ich dachte: „Na, das ist ja ein lustiges Völkchen
hier.“ Der Herr in der Radlerhose war Werner Buss, der damalige
Direktor und heutige künstlerische Leiter der GOP Entertaintment
Group. Er kam zu mir, ich sollte aufstehen, uns gegenüber war ein
Ballett-Spiegel. Er hakte sich bei mir unter, zeigte auf den Spiegel
und sagte: „Na, wer von uns beiden sieht hier aus wie der
Direktor?“ Die Geschichte ist heute Legende.
Auf dem Weg bleibt
er am Mäntelhaus Kaiser stehen, ein Sankt Petersburger
Bläserquintett spielt davor ein Weihnachtsliedermedley. Bohnecke
deutet auf die Weihnachtsdekoration mit den vielen Tannen und den
goldenen Hirschen, auch da habe er als Kind schon vorgestanden. Er
läuft weiter zum Karussell an der Marktkirche, dreht ein paar Runden
am Feuerwehrauto. Es duftet nach gebrannten Mandeln, am
Süßigkeitenstand platzt der Mais in der Popcorn-Maschine auf, in
der Weihnachtsbäckerei stechen Kinder Plätzchen aus. Vom Karussell
schallt „Kling Glöckchen“ herüber. Bohnecke steigt ab und
strahlt.
So, jetzt wird’s
ernst.
Oha.
Wenn jemand
Weihnachten so sehr liebt, dann weiß er doch bestimmt Antworten auch
auf die schwierigen Fragen.
Nämlich?
Wenn der
Weihnachtsmann durch fünf Schornsteine durch ist, duscht er dann
mal?
Das braucht er
nicht. Der Weihnachtsmann zaubert sich die Schornsteine breiter,
sonst würde er gar nicht reinpassen mit dem dicken Mantel, den
Stiefeln und den vielen Geschenken. Dadurch kommt erst gar kein Ruß
an ihn dran.
Und wie landet er
seinen Schlitten, wenn gar kein Schnee liegt?
Wir wissen ja nie,
wann genau der Weihnachtsmann kommt. Es kann doch sein, dass genau in
dem Moment, in dem er ihn braucht, Schnee liegt, oder?
Denkbar. Und wer
beschenkt den Weihnachtsmann?
Die Engel und Elfen
in seiner großen Werkstatt am Nordpol. Und seine Frau natürlich.
Ist die Werkstatt
des Weihnachtsmanns der Grund, dass Sie Schweden so lieben?
Ein bisschen
vielleicht. Vor allem mag ich die herzlichen Menschen. Die sind immer
gut gelaunt. Schon, wenn sie einen mit „hej, hej“ begrüßen,
lächeln sie, weil bei dem Gruß die Mundwinkel automatisch nach oben
gehen. Das ist der Zauber der Schweden.