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Stadtgespräch mit Katzen-Café-Besitzerin Astrid Heyer

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Videos: Felix Peschke, Filmproduktionsgesellschaft Filmklar, Hannover

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Es ist ein Dienstagmorgen im Stubentigercafé an der Escherstraße nahe dem Steintor. Alle Plätze sind besetzt.

Am großen Stammtisch gleich vorne im Gastraum sitzt Sabrina Niewerth mit ihren Eltern und ihrem Bruder. Sie frühstücken, als Kater Hiro auf den Tisch springt, zum Fenster hin marschiert, geradewegs in Richtung Brot, Marmelade, Saft und Kaffee. Die Familienmitglieder lehnen sich zurück, lassen dem Dreijährigen Raum, er tapst vorsichtig an den Speisen vorbei, berührt nichts, er wollte einfach nur zum Ende des Tischs, von dort aus springt er hinauf zu seinem Lieblingsplatz, dem Kissen oben auf dem Katzenturm.

„Stell’ dir jetzt mal vor, das wäre ein Hund gewesen“, bemerkt ein Gast vom Nebentisch, „der hätte alles umgerissen.“

Sabrina Niewerth lacht. Die 28-Jährige mag solche Szenen, sie hat selbst eine Katze daheim und möchte die Gesellschaft der Tiere auch nicht missen, wenn sie ausgeht. Darum ist sie Stammgast und besucht einmal pro Woche das Stubentigercafé von Astrid Heyer.

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Wie sind Sie auf die Idee gekommen, ein Katzencafé zu eröffnen?

Das war 2014. Ich habe Bankkauffrau gelernt, habe lange in dem Beruf gearbeitet. Dann kam die Krise, die Banken verloren an Image und bauten Personal ab. In der Zeit bin ich freiwillig zu einem Industrieunternehmen gewechselt. Dort habe ich aber schnell gemerkt, dass das nicht das ist, wo ich meine Zukunft sehe. Dafür wollte ich etwas haben, das einen Mehrwehrt für andere Menschen schafft. Ich wollte für andere Sinn stiften und daraus für mich eine Befriedigung ziehen.


Das hätten Sie auch woanders gefunden, in einem Pflegeberuf zum Beispiel. Warum ist es das Katzencafé geworden?

Das lag an einer Freundin. Während ich in dieser beruflichen Sinnkrise steckte, hat sie mir von einem Katzencafé in München erzählt. In Köln und Berlin gab es auch schon welche. Ich hab’ mir das angehört, und dann hatte ich einen von diesen Wickie-Momenten.


Wie Wickie, der kleine Wikinger? Der reibt sich in der Zeichentrickserie beim Überlegen die Nase solange, bis er einen Geistesblitz hat. Sobald der da ist, steht Wickie in einem Sternenfeuererk.

Und genau so ein Sternenmoment war das, als ich auf die Idee mit dem Café kam. Das war’s, das wollte ich machen.


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Ist es denn so geworden, wie Sie es sich vorgestellt haben?

Überhaupt nicht. Das hätte ich mir nicht vorstellen können, ich hatte ja nie etwas mit dem Gastro-Gewerbe zu tun, bevor ich mich selbstständig gemacht habe. All die Verordnungen und Vorschriften, davon hatte ich keine Ahnung. Und dann die Selbstständigkeit an sich: Kein Tag ist wie der andere. Ich weiß nie, wie’s wird. Mal bekommen wir nicht alle Lebensmittel geliefert, dann ist jemand krank.Ich weiß immer nur zweierlei: Es gibt keinen Tag, an dem nichts Unvorhergesehenes passiert. Und: Um 11 Uhr sind wir glücklich und entspannt, da kommen die Gäste.


Wünschen Sie sich manchmal, Sie wären noch Banker?

Nie. Die Selbstständigkeit ist sehr viel anstrengender, als ich es mir vorgestellt habe. Ich habe auch noch nie so wenig verdient in meinem Leben. Aber gleichzeitig bin ich zufriedener als je zuvor. Darum kann ich sagen: Ich bereue nichts.


Astrid Heyer trägt eine Karo-Hose, einen brombeerfarbenen Rolli und ein schwarzes T-Shirt darüber mit dem Aufdruck: „Mich gibt es nur mit Katze“. Sie verlässt den Gastraum und betritt das Schleusenzimmer zur Küche hin. Die Katzen dürfen weder in die Schleuse, noch in die Küche, das war eine der Auflagen für den Betrieb des Cafés, bevor es Heyer im August 2015 eröffnete.

Die Köchin bringt die überwiegend hausgemachten Speisen in die Schleuse, zum Beispiel Waffeln (aus Dinkel- oder Buchweizenmehl, ab 4 Euro), Windbeutel (etwa Kito – mit Mango, Schokoeis, Himbeersauce und Sahne für 5,40 Euro) oder Kleinigkeiten wie die veganen, glutenfreien Pfannkuchen (ab 3,30 Euro) oder Flammkuchen (ab 7,80 Euro). Alles ist abgedeckt: Gloschen sichern die Speisen vor Katzenhaaren, Untertassen werden zu Deckeln für Tassen umfunktioniert und sichern so die Getränke. Heyer trägt die Speisen an die Tische, unterhält sich mit den Gästen. Ein Pärchen bewundert, wie entspannt die Katzen den Betrieb beobachten.


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Was sind das für Tiere?

Kater Hiro und seine Schwestern Havanna und Holly sind sogenannte Coonies. Sie gehören der Rasse Maine Coone an, die als besonders ausgeglichen gilt. Dann ist da Chica, die ich von der Katzenhilfe Hannover habe. Und Kito, die mit ihren zwölf Jahren die älteste im Bunde ist. Kito stammt aus einem Privathaushalt. Ihre Halter konnten sich nicht mehr um Kito kümmern, wollten sie aber auch nicht ins Tierheim gehen und haben mich gefragt, ob ich sie aufnehmen könnte. Ich habe unter Vorbehalt zugesagt, denn der Café-Betrieb ist natürlich nichts für jede Katze.


Was ist denn typisch für Ihre Katzen?

Kito ist die Chefin, sie leitet das Rudel. Hiro ist ein Macho und gibt den Damen schon mal einen Klaps auf den Po. Holly ist die Furchtsamste, sie möchte meist nur angeschaut, aber nicht angefasst werden. Chica ist die Munterste und Erzählfreudigste. Und Havanna ist meine kleine Sozialarbeiterin.


Wieso das denn?

Sie begrüßt jeden Neuling freundlich und gibt Köpfchen.


Sie gibt Köpfchen?

Das ist die Katzenbegrüßung. Katzen haben am Kinn und an den Wangen Drüsen, mit denen sie Duftstoffe absondern. Für den Menschen sind die nicht wahrnehmbar, für die Tiere aber eben schon. Und wenn sich nun eine Katze zur Begrüßung an Ihnen reibt, markiert Sie sie als jemanden, den sie mag, vor dem sie sich nicht fürchten muss, als freundliches Territorium sozusagens.



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Was für Menschen kommen zu Ihnen, um das zu erleben?

80 Prozent meiner Gäste sind Katzenhalter, die auch beim Käffchen nicht auf Katzen verzichten möchten. Dann sind da ältere Menschen, deren Katze verstorben ist und die sich keine neue mehr anschaffen möchten, weil sie Angst haben, das Tier könnte sie überleben. Wohngruppen des Stephansstifts kommen zum Beispiel.


Auch Kindergärten?

Das ist schwierig. Neulich hatte ein Kindergarten eine Projektwoche zum Thema Katze. Sie hatten mit mir Kontakt aufgenommen. Die Erzieher sind mit Kleingruppen an Kindern gekommen, und wir haben über den richtigen Umgang mit Katzen gesprochen. Die mögen kein lautes Schreien, sie wollen nicht gejagt oder auf den Arm genommen werden. Solange Kinder das hinbekommen, sind sie gerne willkommen. Aber Eltern müssen auf die Kinder achten. Zu den regelmäßigen Gästen gehören auf alle Fälle noch Studenten, die im Studentenheim keine Katzen halten dürfen. Und es kommen Menschen her, die depressiv sind oder hypersensibel, die es nicht laut und hektisch mögen, sondern einfach die Athmosphäre genießen und sich von den Katzen beruhigen lassen.

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Das Schnurren der Katzen, so beschreibt es Astrid Heyer, habe jüngsten Studien zu Folge eine Frequenz, die den menschlichen Herzschlag und den Blutdruck senken. Außerdem machten die Tiere den Alltagsstress vergessen.

Alles miteinander fördere die Entspannung. „Außerdem sind Katzen anschmiegsam auf der einen Seite, sie können aber auch ihre Krallen ausfahren.

Das sind Eigenschaften, die sich viele Menschen für sich selbst wünschen, darum empfinden sie Katzen als reizvoll“, weiß der Essener Psychotherapeut Christian Lüdke.

Die Idee zu den Katzencafés soll in Japan entstanden sein, weil dort die Wohnungen vieler Menschen zu klein gewesen seien, um Katzen zu halten. Inzwischen gibt es die Cafés weltweit: von Indien über Dänemark, die USA bis nach Kanada.

Das einzige Katzencafé Niedersachsens betreibt Astrid Heyer in Hannover, Stammgast Christa Cornand ist sehr froh darüber. Für sich selbst, weil ihre letzte Katze vor dreieinhalb Jahren verstorben ist, „jetzt hole ich mir meine Streicheleinheiten im Café“. Und dann arbeitet die 58-Jährige in einem Heim für psychisch kranke und drogenabhängige Frauen. „Einmal haben wir mit den Bewohnerinnen einen Ausflug ins Café gemacht“, berichtet Cornand. „Unsere Frauen haben das geliebt, weil die Tiere sie genau so nehmen, wie sie sind. Die Katzen haben keine Vorurteile.“ Die Frauen hätten noch lange von dem Besuch geschwärmt.

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Berühren Katzen unsere Seele, Frau Heyer?

Ja, davon bin ich überzeugt. Allein durch ihre Anwesenheit verändern sie die Stimmung in einem Raum. Katzen sind toll. Sie sind nicht wie Hunde, sie fordern nichts ein, sie machen ihr Ding. Jede ist ihre eigene Persönlichkeit. Kito liegt am liebsten auf ihrem Kissen auf dem großen Stammtisch und wenn eine der anderen Katzen an ihr vorbei möchte, will sie um Erlaubnis gebeten werden. Chica legt sich am liebsten zu den Gästen aufs Sofa, am allerliebsten, wenn einer seine Jacke dort abgelegt hat, da kuschelt sie sich richtig hinein. Wenn es einer mal zu viel wird, ziehen sie sich zurück.


Heyer führt in den Eingangsbereich, deutet auf die zweite Türe vom Eingang aus gesehen rechts. Ein Schild mit der Aufschrift „Privat“ hängt dran, es ist der Rückzugsort der Tiere, den die Gäste nicht betreten dürfen. Auch die Katzenklos sind dort untergebracht. Meist ziehen sich die Katzen aber gar nicht dorthin zurück. Sie ziehen die Rückzugsmöglichkeiten im Gastraum vor: etwa ihre Höhlen oder die Plätze mit Aussicht ganz oben auf den Kratzbäumen.

Jede Katze hat ihren Lieblingsplatz. An dem findet sie ein wenig Abstand, wenn sie den braucht, sie hat aber gleichzeitg auch noch die Nähe zu den Menschen, die schätzen sie alle sehr. Sie sind schon besondere Persönchen, meine fünf.

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Was haben Sie mit den Tieren gemacht, als Sie nach dem Unwetter vom 22. Juni vergangenen Jahres den Wasserschaden im Café hatten und bis in den August hinein schließen mussten?

Das war schwer. Ich musste meine Mitarbeiter entlassen, zwei feste und vier Aushilfen. Und eine Zeitlang habe ich wirklich gedacht, ich müsste ganz schließen. Abwasser war aus dem Kanal in den Laden hochgestiegen, da waren Keime drin. Die Katzen konnten also nicht bleiben. Zum Glück hat sich aber schnell jemand gefunden, der die Tiere für fünf Wochen genommen hat. Und überhaupt war ich überwältigt von der Hilfsbereitschaft, die ich in der Zeit erlebt habe.


Wie sah die aus?

Ich habe bei Facebook beschrieben, was passiert ist. Und dann haben viele Menschen Geld gespendet. Andere haben bei den Aufräumarbeiten geholfen. Unbeschreiblich. Am Ende konnte ich das Café wieder eröffnen und meine Mitarbeiter wieder einstellen. Das war eine wunderbare Bestätigung. Wer hat das noch? Gerade in der heutigen Zeit?

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