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Stadtgespräch mit Jäger Henz Pyka

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Videos: Felix Peschke, Medienproduktion Filmklar, Hannover

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5.30 Uhr. Der Morgen graut, als wir Heinz Pyka an der Radrennbahn in Wülfel treffen. Es ist kalt und feucht – bestes Novemberwetter. Von hier aus soll es durch die Leinemasch in Richtung Maschsee gehen. Mitten ins Jagdrevier des Stadtjägers. Es umfasst ein Gebiet von der Innenstadt bis an die Leinemasch vor Hemmingen und Laatzen. Insgesamt über 900 Hektar - inklusive Friedhöfen und Sportplätzen, wo Kaninchen ihr Unwesen treiben. Während der morgendliche Berufsverkehr an der Wilkenburger Straße immer dichter wird, nimmt Pyka sein Gewehr aus dem Kofferraum, wirft sich den Jägermantel über und stapft los. Vereinzelt kommen ihm Fahrradfahrer und Hundebesitzer entgegen. Nach freier Wildbahn sieht es eigentlich nicht aus.

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Es ist auch Futtermangel, der Wildschweine immer tiefer in die Innenstädte treibt.
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Hannover ist sehr wild. Wenn mich Jagdfreunde aus dem Harz oder anderen landwirtschaftlich stark geprägten Gebieten besuchen, wundern sie sich immer, was es hier in der Stadt alles gibt.

Was gibt es denn alles im wilden Hannover?

Wir haben mitten in Hannover an der Leine eine starke Biberpopulation. Um den Maschsee herum gibt es alleine fünf Spechtarten, seltene Greifvögel und Eulen. Dort leben Wildschweine, Rehe, Waschbären, Dachse, Marderhunde oder Füchse – ein paar Füchse leben sogar im Stadion von Hannover 96. Direkt am Maschsee befindet sich das Kerngebiet der Wildschweine, die sich von dort aus in und um Hannover verbreitet haben. Und auch Fischotter sind in Hannover heimisch geworden. Wo genau verrate ich aber nicht – um die Tiere vor Natur-Tourismus zu schützen. Also die Stadt ist schon interessant.

Funktioniert das Zusammenleben von Mensch und Tier, von wild und zahm?

Wir sind umgeben von Straßen, erst vor wenigen Tagen wurde hier ein Keiler überfahren. Es besteht dabei natürlich immer die Gefahr, dass es zu tödlichen Unfällen auch für Menschen kommt. Dass sich eine Rotte Wildschweine oder auch ein einzelnes Tier in die Innenstadt verirrt, kommt eigentlich nicht vor. So ein Fall wäre aber nicht zu unterschätzen: Die Hauer von einem Keiler sind Messerscharf und wenn er in Panik gerät rennt er einfach weiter – wie ein Nashorn. Am Ende steht er dann mitten in der Fußgängerzone oder in einem Geschäft. Das konnten wir durch unsere Bejagung bisher erfolgreich verhindern. Alles in allem funktioniert das Zusammenleben zwischen Mensch und Natur gut.













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Es ist auch Futtermangel, der Wildschweine immer tiefer in die Innenstädte treibt.
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Um uns herum sind Spaziergänger unterwegs. Wird man da nicht auch als Jäger nervös, wenn man das Gewehr  anlegt?

Man muss auf jeden Fall besonders aufpassen. Wir Jagen nur vom Hochsitz aus, damit die Kugel nur in Richtung Boden fliegt. Und ganz wichtig ist, dass man nur auf das schießt, was man identifizieren kann. Ist es Rehwild? Handelt es sich um Bock oder Ricke? Hat sie Kitzen? Und das ist wichtig: Was ich nicht erkennen kann, sollte ich nicht schießen. Dann bewahren wir uns auch vor Unfällen. Für die Innenstadt, etwa auf Friedhöfen oder Sportplätzen wo Kaninchen oder Waschbären eine Plage sind, braucht man eine Sondergenehmigung. Da gibt es viele Plätze, auf denen man nicht mit dem Gewehr jagen kann, wie kleine Friedhöfe, bebautes Gebiet oder in der nähe von Schulen. Dort jagen wir kleinere Tiere mit Fallen oder auch mit dem Habicht. Auch Treibjagden sind um den Maschsee herum tabu. Die Gefahr, dass ein Wildschwein in die Innenstadt flüchtet und dort Menschen angreift, ist zu groß.



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Hat einen Dachs geschossen: Pykas Jagdfreund Dennis Klintworth.
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Mit der Büchse am Maschsee entlang – da muss man sich wahrscheinlich auf einige Reaktionen gefasst machen...

Die Reaktion der Leute ist meistens diese: Sie gucken ganz verschämt hinter mir her und denken sich was macht der? Ich habe es mir angewöhnt, sie anzusprechen, ihnen meine Arbeit zu erklären. Ich zeige, wo hier die Wildschweine sind und welche Probleme es mit ihnen gibt – und dann geht das auch. Wichtig ist dabei nicht von oben herab, sondern immer auf Augenhöhe mit den Menschen zu sein.

Wäre die Reaktion auf dem Land eine andere?

Der Unterschied zur Denkweise der Menschen auf dem Land ist riesengroß. Mancher Städter meint, er ist Naturmensch, aber hat ein sehr verklärtes Bild von der Natur. Es gibt kein Leben ohne Sterben, egal wie wir leben – ob als Fleischesser, Vegetarier oder Veganer, das muss man einfach verstehen. Der Bauer der sein Feld für mein Getreide umpflügt, tötet damit letztendlich auch Tiere.



Wenn nicht im 15-Minunten-Takt Güterzüge vorbeirauschen würden - man würde die Zivilisation hier nicht merken. Eine kleine Lichtung, wenige Schritte nordwestlich neben der Manschseequelle, darauf ein Hochsitz. Hier hat Pykas Jagdfreund Dennis Klintworth Jagdglück gehabt. Er hat einen Dachs geschossen.

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Hat einen Dachs geschossen: Pykas Jagdfreund Dennis Klintworth.
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  Wir haben große Dachspopulationen in und um Hannover. Sie sind eine Gefahr fürs Niederwild. Deswegen schießen sie wir auch. Und wir verwerten auch die Felle. So ein Fell ist – wenn es nicht aus Massentierhaltung stammt – viel umweltfreundlicher als die moderne Funktionskleidung. Die verschmutzt oft schon in der Herstellung Flüsse und vernichtet die Tierwelt.


Welche Schädlinge gibt es noch im Stadtgebiet?

Das größte Problem sind Waschbären. Sie sind inzwischen aber überall in der Stadt unterwegs, räumen Mülltonnen aus, decken Dächer ab, klettern sogar auf Balkone. Man kann inzwischen von einer Invasion sprechen. Allein in den vergangenen drei Tagen haben wir vier Waschbären erlegt. Gegenüber vom Umweltministerium steht dauerhaft eine Waschbärenfalle. Außerdem gibt es Marderhunde aus Asien, amerikanische Nerze, die aus Pelzfarmen befreit wurden, Füchse, Dachse und Ratten – sie alle fressen unter anderem die Eier aus Nestern von Bodenbrütern und dezimieren so die Artenvielfalt. Dazu kommen Steinmarder, die auch Autos kaputt machen und Katzen. Ich bitte, die Leute immer ihre Katzen zumindest nicht zur Brut- und Setzzeit frei streunen zu lassen.

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Sie reguliert sich nicht selber, das ist ein Irrglaube. Unsere Landschaft ist vom Menschen gestaltet, auch die Leinemasch. Wenn wir das alles sich selbst überlassen würden, wäre ein Ungleichgewicht und ein Verschwinden von Arten die Folge. Stellen Sie sich vor wir, würden keine Wildschweine mehr jagen. Selbst wenn der Wolf hier wäre, könnte der nicht so viel fressen. Schweine haben eine Vermehrungsrate von 300 Prozent und der Wolf findet leichtere Beute in Schafen, Rehen und Rindern. Wir würden am Ende große Probleme bekommen mit der Sicherung der Deiche, mit den landwirtschaftlichen Flächen: Wenn eine Rotte von zehn Wildschweinen auf dem Acker eines Bauern war, sind Nahrungsmittel zerstört, die wir brauchen.

Ein anderes Beispiel sind Gänse. Wir jagen sie aus zwei Gründen. Erstens, damit ihr bestand nicht überhand nimmt: 600 Graugänse auf einem Acker richten einen Immensen Schaden an. Und daran ist der Mensch mit Schuld. Die großen Maisfelder für Biogasanlagen sind für Gänse eine ideale Nahrungsquelle – und sie haben keine großen Feinde. Der zweite Grund: Sie schmecken gut. Eine selbstgeschossene Graugans ist ein Nahrungsmittel aus der Natur – besser als alles, was ich im Laden kaufe. Und das wissen auch viele Hannoveraner – die Nachfrage an Wildfleisch ist so hoch, dass ich ihr gar nicht nachkommen kann.

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Produktion: Christof Perrevoort



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